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Amanita muscaria

Ich erinnere mich noch gut, als wäre es gestern gewesen. Damals, im Kindergarten, entdeckte ich an einem schönen Herbsttag eine Familie von Fliegenpilzen, die auf einer Wiese neben ein paar Bäumen stand. Diese leuchtenden kleinen Wesen zogen mich magisch an. Man sagte mir, sie seien giftig, man solle sie nicht berühren.

Die Jahre vergingen, und der Pilz geriet in Vergessenheit – bis ich vor etwa acht Jahren eines Nachts von ihm träumte. In meinem Traum wanderte ich durch einen tiefen Wald, das Grün der Blätter und Sträucher leuchtete kräftig, als ob es lebendig pulsierte. Die Luft war feucht, als hätte es gerade geregnet, und der erdige Duft war intensiv. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich kraftvoll und lebendig an. Nach einer Weile sah ich sie wieder: die roten Kappen mit ihren weißen Punkten, eine kleine Fliegenpilzfamilie, die am Wegesrand stand und wie alles um mich herum sanft leuchtete. Ich betrachtete sie eine Weile und war wie damals als Kind ganz verzaubert.

Als ich erwachte, hatte ich das Gefühl, als wäre der Pilz in Kontakt mit mir getreten, als hätte er mir etwas mitteilen wollen. Zu dieser Zeit verbrachte ich viel Zeit in der Natur, fotografierte Pflanzen und Tiere. Ich spürte sofort den Drang, einen Fliegenpilz zu fotografieren. Und so machte ich mich wenige Tage später auf die Suche – und fand ihn gleich beim ersten Versuch. Dort stand er, verwoben mit den Wurzeln eines Baumes, still und doch voller Präsenz. Das Bild, das ich von ihm machte, hing viele Jahre in meiner Küche, wo es mich täglich an diese stille Begegnung und die Schönheit der Natur erinnerte.

Die Zeit verging, und vor einigen Monaten wurde mir der Fliegenpilz in Form eines Tees angeboten. Es war eine behutsame, sanfte Begegnung. Der Pilz trat in mein System wie ein feines Netz aus Myzel, das sich durch meinen Körper und mein Bewusstsein zog – auf die gleiche leise Weise, wie er schon immer seinen Weg in mein Leben gefunden hatte. Von der ersten kindlichen Faszination über den Traum bis hin zu diesem Moment war er sanft an meine Tür geklopft, um sich schließlich in mein Bewusstsein einzuflechten.

Am nächsten Tag hatte ich das Gefühl, dass sich in mir neue Bewusstseinsräume geöffnet hatten – gerade so viel, wie es in diesem Moment gut und richtig für mich war. Gestern, an einem weiteren wunderschönen Herbsttag, sammelte ich mit einem Freund schließlich meine ersten eigenen Fliegenpilze. Am Abend tranken wir einen Tee (aus getrockneten Pilzen*), nur eine mikroskopische Menge für mein System. Und doch spürte ich die tiefe, uralte Weisheit des Pilzes – eine Weisheit, die unsere pflanzlichen Geschwister auf Mutter Erde seit unzähligen Generationen mit uns Menschen teilen um uns zu heilen, ins Gleichgewicht zu bringen und uns ihre Liebe zu schenken. Ich bin so dankbar für diese Begegnung. Der Pilz ist in mein Leben getreten, um mich zu lehren – sanft, still, wie es Pflanzen seit jeher tun.

 

*beim Konsum vom Fliegenpilzen gibt es einges zu beachten. Der Rohe Pilz ist giftig und muss richtig verarbeitet werden damit er in verschiedenen Formen konsumiert werden kann.

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